Dienstag, 24. Juni 2008

Reform - Unis sind reiner Betrug

Wer sehen will, wie sich viele Politiker Unis vorstellen, sollte sich Konstanz ansehen. Die dortige Uni trägt ja das begehrte 'Elite-Uni'-Prädikat. Was allerdings dahintersteckt, ist eine ziemlich heimtückische Art, die Studenten mundtot zu machen.

Da wäre zunächst mal die Lage: In Werbeprospekten wird die landschaftlich schöne Lage am Bodensee beworben. Das bedeutet aber konkret, daß die Uni auf einer Bergspitze außerhalb der Stadt gebaut ist. Bis in die Konstanzer Innenstadt dauert es je nach Kondition 45 – 60 Minuten zu Fuß. Speziell im Winter gibt das Probleme, da es durchaus vorkommen kann, daß Busse (die Hauptverbindung zur Außenwelt) steckenbleiben und abgeschleppt werden müssen. Bei Sturm kann es vorkommen, daß die Verkehrswege, die alle durch Waldgebiet führen, durch umgestürzte Bäume blockiert werden und die Uni folglicherweise ziemlich von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Warum? Da sind die Baumeister ziemlich unverfroren. Sie geben nämlich zu, die Uni absichtlich so weitab vom Schuß gebaut zu haben, 'um die Studenten nicht so sehr abzulenken' Also sollen die Studenten nicht mit der eigentlichen Stadt Konstanz in Kontakt kommen. Was wie eine Maßnahme gegen 'Schwänzen' aussieht, ist im Grunde eine Kontaktsperre zwischen Studenten und Restbevölkerung. Bloß keine Solidarisierung der Aufmüpfigen riskieren, nach diesem Motto wird vorgegangen. Ein Beispiel ist der Protest gegen Studiengebühren: Wenn man an Gebäuden im Stadtzentrum Protestplakate aufhängen kann (wie ich es in Leipzig gesehen habe), hat das eine viel größere Wirkung als ein paar Protestplakate irgendwo in der Pampa.

Konstanz erhebt den Anspruch eines 'Klein-Harvard'. Also den einer Eliteschmiede, an der man sich mit Kungelei, Beziehungen und reichen Eltern einen wohlklingenden Titel verschaffen kann. Daß man für sowas aber auch amerikanische Verhältnisse, also großzügige Förderung durch reiche Absolventen braucht, ist noch nicht durchgedrungen. Überflüssig zu sagen, daß man dort das bildungspolitische Desaster 'Bologna-Prozeß' mit Bachelor und Master mit offenen Armen willkommen geheißen hat, wie die unwissende Schönheit den durchs Fenster hereinfliegenden Grafen Dracula. Als Folge gibt es an dieser Uni Stundenpläne, Anwesenheitspflicht, Unmengen an Klausuren und Prüfungen – also genau das, was man in der Schule hatte und das laut den Märchen der Studentenanwerber eigentlich nach dem Abi vorbei sein sollte. Und auch sonst ist alles auf Elitäres ausgerichtet: Konstanz ist einer der teuersten Studienorte bundesweit. Wer hier keine reichen Eltern oder einen sehr einträglichen Arbeitsplatz hat, ist ziemlich schnell aufgeschmissen. Wie fast überall ist Konstanz wegen Mangel an Studentenwohnungen ein Vermieterparadies. Wie sehr, zeigt eine Idee einiger Konstanzer Hochschüler: ein Studentenwohnheim aus Wohnmodulen. Die Idee erinnert allerdings eher an die Wohncontainersiedlungen, in die man die ungeliebten Asylanten sperrt – nur die Optik ist etwas stilvoller.

Wie überall im hochgelobten Südwesten gibt es keine Studentenvertretungen (ASTA). Es gibt etwas, das so ähnlich heißt (U-ASTA), aber kein eigenständiges Organ ist und dem zudem jedwede politische Arbeit verboten ist. Hierfür ein Beispiel: Es ist dem U-ASTA verboten, Filme mit politischer Botschaft zu zeigen. Unter dieser Regel wurde unter anderem die Aufführung der Filmbiografie 'Gandhi' verboten – er wäre zu politisch! Man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen: Aufführungsverbot eines Films, weil darin gezeigt wird, daß man mit (friedlichem) Protest etwas erreichen kann. Das ist etwa zehn Jahre her, aber geändert hat sich nichts. Deutlicher kann das Studentenbild an der Uni Konstanz kaum dargestellt werden: Hockt euch in die Vorlesung, zahlt eure Gebühren, ansonsten haltet die Klappe.

Apopros Vorlesung: die darf laut Beschluß der Unikonferenz nur der betreten, der einen Studentenausweis hat. Aber das nur zum Thema Offenheit der Uni.

Und damit kommen wir zu dem, was mich persönlich am meisten stört: An der Konstanzer Uni sind Linke offenkundig unerwünscht. Die Anzeichen sind diskret, aber deutlich. Bei 'U-ASTA' – 'Wahlen' gibt es eine liberale Liste (im Sinne von FDP – liberal), eine aus der bestehenden Mannschaft und eine Liste mit personellen Alternativen, auf der letztes Mal sogar der Universitätskater Sammy vertreten war. Von Linken keine Spur. Fernerhin hat jede Hochschulgruppe einen Platz auf einer Pinnwand im Foyer. Die besten Plätze, die man sofort sieht, gehören: Studentenverbindungen, einer Gruppierung für Exsoldaten, der SPD – Hochschulgruppe und der 'grünen' Hochschulgruppe. Als Alibi hat man noch Amnesty International dazugelassen. Also keiner einzigen linken Gruppierung. Die Hochschulgruppe der Linken wurde gemeinsam mit den Gewerkschaften in ein Eck gequetscht, das zur Hälfte auch noch den Frauenrechtlerinnen gehört. Das Plakat der Linken, das sich direkt gegen Studiengebühren und finanzielle Ausquetschung der Studenten richtet, hing gerade mal eine Woche, dann mußte es ersetzt werden. Irgendwer, vermutlich das Jungvolk der NPD, das sich inkognito ebenfalls an der Uni rumtreibt, hatte es mit Aufschriften wie „DDR-Verherrlicher“, „RAF 2.0“ und ähnlichen Nettigkeiten beschmiert. Wohl die Retourkutsche für die Enttarnung eines Konstanzer Studenten als wichtigeres NPD – Mitglied am Bodensee. Und am Anfang des Semesters wurde dieses Plakat einfach so mit Werbung für eine „Studentenparty“ in einer Disco (übersetzt etwa: Massenbesäufnis mit besonderer Berücksichtigung von Studis) überklebt. Außerdem verschwanden alle Abozettel für die „Junge Welt“, die auch nicht mehr im Zeitungskiosk auf dem Campus erhältlich ist – im Gegensatz zu neoliberalen Kampfblättern wie Spiegel, Focus, Welt, Bild oder so hochwissenschaftlichen Schriften wie Coupe, Playboy etc.

Was es hingegen massenhaft gibt, sind Werbeplakate von Vodafone und Konsorten, die Studenten animieren sollen, ihr Geld, das sie nicht haben, für allen möglichen Blödsinn zum Fenster hinauszuwerfen. Aber das ist kein Problem, man hängt dazwischen einfach Werbung für KfW-Studienkredite, die einem vorführen, wie geil es doch ist, sich bis zum Anschlag zu verschulden. Und dazu kommen die Prpagandapostillen und -Plakate der Consultingfirmen Roland Berger, McKinsey, MLP – also der Typen, die unser Land in die Scheiße reiten und uns gleichzeitig erzählen wollen, sie seien der neue Messias. Auch das Studentenwerk Seezeit, das eigentlich für die Bedürftnisse der Studenten zuständig sein sollte, macht dabei munter mit und überläßt den Wölfen jederzeit den Zugriff auf die Schafsherde. Ihre Plakate und Werbeflyer liegen in Massen aus, auch in der Mensa, wo übrigens jede politische und kommerzielle Werbung verboten sein soll. (haha, guter Witz)

Man sieht also: Hier wird auf geradezu raffinierte Art jeder Geist in den Studenten ausgemerzt, der eine neue APO verursachen könnte. Stattdessen sollen die Studenten ganz auf Konsum und Karrieregeilheit geschliffen werden. Tatkräftige Helfer sind auch die kostenlos umherliegenden „Studentenzeitschriften“, die Artikel über die 68er mit „Rudis Reste-Rampe“ betiteln und natürlich zum Ergebnis kommen, daß (studentischer) Widerstand zwecklos ist. Speziell diese Papieransammlungen wie 'Unicum' sind eine gesonderte Betrachtung wert, die ich auch noch nachliefern werde (wenn sie fertig ist)


Die Konservativen haben es damit fast geschafft, ihr größtes Schreckgespenst zu bannen: den linken Studenten, der willens und in der Lage ist, etwas zu verändern. Das mußte auch ich erfahren, als ich dort Flyer mit Kritik an Angela Merkel in Umlauf gebracht habe: am nächsten Tag waren die meisten und am Montag darauf alle verschwunden. Vielleicht haben sie den ein oder anderen zum Nachdenken gebracht – aber leider werden sich die meisten nur Sorgen übers Geld oder über die Unmengen an Prüfungsstoff gemacht haben. Oder sie sind schon so assimiliert, daß sie gar keine Kritik mehr äußern und empfangen können.


Liebe Kommilitonen: Mit Zeltlagern auf dem Unigelände erreicht man nichts. Das sind leere, pathetische Gesten. Wenn ihr was ändern wollt, geht auf die Arbeitsämter und in die Tafelläden, dort, wo die neue Unterschicht ist. Sammelt sie ein und geht dahin, wo die Mächtigen sitzen – Landratsämter, Behördenleiter, Unirektorate, Landtage... und dann laßt dort die Sau raus (aber gewaltlos!) Wenn ihr alles richtig macht, seid ihr soviele, daß die Polizei gar nicht die Möglichkeit hat, euch alle einzubuchten.


Auf zum Widerstand! Wir haben nichts zu verlieren als unsere Sklavenhalter!

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