Mittwoch, 23. September 2009

Lobbyismus, wo man nur hinsieht

Letzte Woche wollte ich mal wieder etwas intelligenteres als das übliche im TV ansehen und landete bei "Kontraste" - wo mich fast der Schlag traf. Eine solche Scheiße - ein anderer Ausdruck trifft es einfach nicht - hab ich noch nie erlebt.
Was hat mich hier so schockiert? Gehen wir es mal der Reihe nach durch:

1.Beitrag: Fehlen eines Kinderschutzgesetzes. Es wird lauthals bejammert, daß hier so etwas nicht geschaffen wurde. Der dicke Hammer kommt aber in einem kleinen Absatz:

"Ursula von der Leyen scheiterte am konservativen Familienbild der Union. Familien stärken bedeutet für die CDU/CSU: Bargeld direkt an die Eltern statt in die Krippe, mehr Kindergeld: höhere Steuerfreibeträge für Gutverdienende.

Die Union ist nicht bereit, finanzielle Leistungen an die Eltern umzulenken in die öffentliche Förderung von Netzwerken zur Prävention..."

He, Moment mal - Zensursula ist doch in der CDU! Wieso wird hier so getan, als wäre sie es nicht? Und wieso sollen die Mittel für die Netzwerke zur Familienförderung überhaupt bei den Finanzmitteln für die Familien abgezogen werden? Der Zusammenhang zwischen Armut und Familienproblemen ist bei den Journalisten wohl noch nicht angekommen?

Es wird hier ganz gezielt gegen das Kindergeld gehetzt, insbesondere gegen die lächerliche Erhöhung um 10 Euro. Klar können Familienhelfer nützlich sein - aber der Beitrag zeigt dummerweise vorher, daß diese ehrenamtlich, also entgeltfrei tätig sind. Und die Darstellung der CDU als die Partei, die den Geldbeutel der Familien füllt (wenn auch ineffizient) - das ist lächerlich. Ebenso wie das Hochloben des Verbringens der Kinder in Verwahranstalten (vulgo Krippe), damit Mami am Wunder des Kapitalismus teilhaben kann und ihre Arbeitskraft einem reichen Unternehmer in den Arsch steckt, anstatt die Möglichkeit zu haben, ihren Nachwuchs sorgenfrei zu anständigen Menschen zu erziehen.
Fazit: Reine Polemik und vollkommen nutzlos verschwendete Sendezeit.

2. Beitrag: Streicht die steuerfreien Schichtzulagen!

Jetzt wird's neoliberal! Man zitiert das IZA-Mietmaul Hilmar Schneider (das ist einer, der sogar Hartz IV noch für zu hoch hält, Zwangsarbeit unter dem Namen Workfare einführen will etc... einfach mal in Web suchen) als Experten, versucht sich an der Rehabilitation des INSM-Mitglieds, ehemaligen Verfassungsrechtlers/BVerfG-Richters und Möchtegern-Steuerfachmanns Paul Kirchhof und sagt, die steuerfreien Zulagen seien böse, weil die Nazis das eingeführt hätten (nach dieser Logik müßte man die Autobahnen wie die A5 sofort sprengen, müßte den Muttertag und den 1.Mai als Feiertag abschaffen, das halbe Strafgesetzbuch und das Grundgesetz streichen...die Liste der von Nazis gemachten und heute noch gültigen Dinge ist lang).
Das IZA-Mietmaul behauptet:„Es ist ein gängiges Vorurteil, dass in erster Linie schlecht bezahlte Schichtarbeiter, die Krankenschwester und so weiter die Nutznießer von diesem Privileg sind. Fakt ist, die sind gar nicht so sehr betroffen wir Fachkräfte, die zu den Besserverdienern gehören. Das sind Leute aus der IT-Branche, aus der Beratungsbranche, die auch häufig am Wochenende arbeiten...Formal sieht das zwar so aus, als sei die Subvention nur für den Arbeitnehmer da, de facto ist aber natürlich so, dass der Arbeitgeber auch einen Spielraum bekommt, der brauch nicht so viel bezahlen, wie er normalerweise bezahlen müsste. Und das, was da für ihn übrig bleibt, ist sein Gewinn oder sein Teil an der Beute einer solchen staatlichen Subvention...“
Dieser elende Lügner! Es ist eine altbekannte Tatsache, daß das IZA eine Lobbytruppe der Arbeitgeber ist und demnach jede Behauptung, man wisse, was für Arbeiter gut sei, eine Wahnvorstellung oder eine dicke, fette Lüge ist.
Wer braucht denn die Steuervorteile? Die Besserverdienenden schaffen ihre Kohle doch eh mit staatlicher Duldung ins Ausland und zahlen keinen Cent. Also erwischt eine Abschaffung wieder mal die "kleinen Leute".
Hat dieser Kerl denn schon mal Schichtarbeit geleistet? Ich kenne solche Leute und weiß, wie hart das für sie ist. Die gehen nach drei Nächten allesamt auf dem Zahnfleisch - da ist mehr Geld nur gerecht.
Und warum werden die Selbstständigen hier wieder so dermaßen glorifiziert? Ich werde mich wohl demnächst mal diese Themas annehmen müssen.
Fazit: Propaganda der Neoliberalen in einem Politmagazin, von dem man wenigstens ein paar Hintergründe zu den Experten erwartet hätte. Und sehr interessant sind hier die Kommentare: drei- bis viermal derselbe Wortlaut von "verschiedenen" Kommentatoren, allesamt mit dem Tenor: "Weg damit!" So plumpe Meinungsmache ist mir schon lange nicht mehr begegnet.

3. MRSA (antibiotikaresistente Keime) werden ignoriert
Tja, kein Wunder. So marode wie unser Gesundheitssystem inzwischen ist, so tablettengläubig die Pharmalobby Ärzteschaft und Patienten gemacht hat (die massive Verschreibung von Antibiotika ist eindeutig schuld daran, daß das Problem überhaupt auftreten konnte) - da mußte es irgendwann so weit kommen.
Ich habe schon zu meinen Zivizeiten davon erfahren, daß es so etwas gibt und daß diese Erreger ein Problem darstellen - das war 2001. Und jetzt erst will man ein Problem erkannt haben? Ich wette Euros gegen Cholera, daß das Problem schon lange bekannt ist - aber erst jetzt, wo man mit Krankheitshysterien a la Schweinegrippe vom wirklichen Problem der Unfähigkeit und Fremdbestimmtheit der Herrschenden ablenken will, packt man dieses Problem aus.
Kurz gesagt: Ausschlachtung zu einem Thema, zu dem eigentlich nichts mehr zu sagen ist.

4. Managerhaftung wird mit Versicherung umgangen
Also ehrlich, hat irgendjemand erwartet, daß bei einem gegen die Finanzwirtschaft gerichteten Gesetz mehr rauskommt als ein zahnloser Papiertiger? Oder daß diese Kerle nicht schon längst einen Plan hatten, von sowas in Form einer Versicherung gegen Regreßansprüche zu profitieren?
Nur ein weiterer Beweis dafür, wie stark Big Money die Regierung Deutschlands (und anderer Länder) im Griff hat. Und das noch nicht einmal besonders scharf dargestellt.

Insgesamt konnte ich entsetzt feststellen, daß hier vermutlich schon daran gearbeitet wird, den letzten kläglichen Resten des kritischen Journalismus im TV die Zähne zu ziehen. Leider konnte ich das nicht mehr den Machern mitteilen - mein Rechner war außer Betrieb. Und inzwischen sind die Kommentare gesperrt.

Nachtrag vom 1.10.09: Es geht munter weiter - mit Werbung für ein Atomendlager in Südbaden, also einem ERDBEBENGEBIET (ich habe schon zwei dort erlebt!), der Forderung nach Schießbefehl für Polizisten auf jeden, der sie auch nur ansatzweise schief ansieht und dem Märchen, die sPD würde nach links rücken (mit Holzmichel Steinmeier als Fraktionschef? AHAHAHA!). Ich konnte diesmal wenigstens sofort protestieren.

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